Info aus Berlin

14.01.2022

Einführung einer allgemeinen gesetzlichen Impfplicht – eine Abwägung

In dieser Woche fand die erste Sitzungswoche des Bundestages im neuen Jahr statt. Von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde ich zur Obfrau und damit zur stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgruppe meiner Fraktion im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gewählt. Ich freue mich auf die neue Aufgabe und dass ich meine Arbeit im Umweltausschuss in dieser neuen Funktion fortsetzen darf.

Im Plenum und auch außerhalb des Plenums haben die Mitglieder des Bundestages über die mögliche Einführung einer allgemeinen gesetzlichen Impflicht diskutiert. Unter anderem hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine fraktionsoffene Sitzung zur Meinungsbildung durchgeführt.

Die Entscheidung fällt uns allen nicht leicht und jeder und jede Abgeordnete muss sie für sich beantworten. Dennoch finde ich es befremdend, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt, als Abgeordneter sei er für eine Impfpflicht, für die Bundesregierung möchte er aber keine Festlegung.

Für mich ist wichtig, welche Ziele mit einer allgemeinen gesetzlichen Impflicht verbunden sind. Wir wollen gravierende negative Folgen künftiger Pandemiewellen begrenzen. Dazu gehören eine hohe Sterblichkeit, langfristige gesundheitliche Schäden wie beispielsweise das Long-Covid-Syndrom und eine Überlastung des Gesundheitswesens. Im Notfall könnte eine Umverteilung von Schwerkranken im Bundesgebiet nicht mehr gesichert sein. Dazu gehören auch Menschen, die nicht an Corona erkrankt sind.

Was spricht nun für und gegen eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht? Eine Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Menschen. Zurecht ist die Selbstbestimmung über den eigenen Körper eine als Grundrecht gesicherte Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen darf aber nicht die Freiheit anderer einschränken. Mit anderen Worten: Die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen, darf nicht dazu führen, dass sie im Falle schwerer Corona-Infektionen zu einem Kollaps des Gesundheitswesens führt und damit die körperliche Unversehrtheit anderer beeinträchtigt, weil sie nicht mehr behandelt werden können. Um diese Situation zu vermeiden, beschränken wir zahlreiche Freiheiten, auch für Geimpfte. Viele Beschränkungen könnten im Falle einer höheren Impfquote aufgehoben werden.

Einschränkungen von Grundrechten müssen stets verhältnismäßig sein. Sie müssen ein legitimes Ziel verfolgen, als Maßnahme geeignet und erforderlich sowie angemessen sein. Angemessen ist eine Impfpflicht nur, wenn ohne sie eine schwere Krise nicht abgewendet werden kann.

Zudem muss eine Impfpflicht auch durchsetzbar sein. Viele Menschen stehen Impfungen beispielsweise aufgrund von Allergien oder schlechten Erfahrungen mit Impfungen skeptisch gegenüber. Daher wäre es falsch, bei allen einfach nur eine politisch motivierte Verweigerungshaltung anzunehmen.

Es bedarf einer Grenzziehung, wer geimpft werden soll und was passiert, wenn die Impfung verweigert wird. Außer Frage steht, dass niemand mit körperlicher Gewalt zur Impfung gezwungen werden darf, Bußgelder können dagegen ein mögliches Mittel sein.

Es ist richtig, dass wir lange Zeit eine Impfpflicht ausgeschlossen haben. Ein Grund dafür war die Hoffnung, dass wir freiwillig eine hohe Impfquote von 80 Prozent und mehr erzielen würden. Zudem gab es keine Erfahrungswerte, wie lange die Impfungen und mögliche Auffrischungen immunisieren würden und ob Mutationen des Virus die Wirksamkeit der Impfungen verändern.

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine höhere Impfquote brauchen, um gut durch die Pandemie zu kommen und unser Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Geimpfte können das Virus zwar übertragen und auch erkranken. Sie übertragen aber das Virus seltener und erkranken auch weitaus seltener schwer. Wir können die großen Pandemiewellen damit abschwächen und einen Kollaps unseres Gesundheitswesens sowie Freiheitsbeschränkungen vermeiden.

Daher tendiere ich dazu, einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht zuzustimmen. Ob ich einem entsprechenden Gesetzentwurf jedoch zustimme, hängt von seiner Ausgestaltung ab und wie die Angemessenheit und die Verhältnismäßigkeit definiert sind. Es muss geklärt werden, wer zum Impfen verpflichtet ist, wie es durchgesetzt werden soll und dass der Staat in der Lage ist, ein niedrigschwelliges Angebot mit ausreichend Impfstoff anzubieten.

Wir führen die Debatte um eine Impfpflicht nicht, weil wir Recht haben wollen. Wir führen sie, um Wege zu finden, unser Leben wieder zu normalisieren. Kein Abgeordneter und keine Abgeordnete im Bundestag macht sich diese Entscheidung leicht.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und bleiben Sie gesund!

 

Ihre

Astrid Damerow, MdB