Newsletter 07/2018 aus Berlin

15.06.2018

Der Kern unserer Überzeugung: das europäische Einigungswerk erhalten

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD haben sich die Regierungsparteien verständigt, eine europäische Lösung bei Asylfragen anzustreben. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat einen 63 Punkte umfassenden Masterplan Asyl erarbeitet. Der Masterplan war in dieser Woche auch Thema in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Dabei sind CDU und CSU in eine sehr ernste Krise geraten. Es geht um die Frage, unter welchen Bedingungen Flüchtlinge an der deutschen Staatsgrenze abgewiesen werden können. Der Bundesinnenminister und mit ihm die CSU-Landesgruppe bestehen darauf, Flüchtlinge, die bereits in anderen EU-Staaten als Asylbewerber registriert oder abgelehnt wurden, an der deutschen Grenze abzuweisen.

Die CDU fürchtet dagegen, dass diese Maßnahme im nationalen Alleingang negative Effekte hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel befürwortet eine europäische Lösung. Sie befürchtet, dass eine nationale Maßnahme ohne Absprache mit unseren Nachbarländern zu negativen Effekten führen könnte. Damit wäre die europäische Einigung gefährdet.

Angela Merkel hat Horst Seehofer einen Kompromiss vorgeschlagen. Sie bat zum einen zwei Wochen um Geduld, um das Thema in zwei Wochen beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs noch einmal mit Nachdruck zu erörtern. Zum anderen bot die Kanzlerin dem Innenminister einen Kompromiss an, bilaterale Verträge mit den deutschen Nachbarländern zu finden, wenn beim Europäischen Rat keine Vereinbarung zustande komme. Auf dieser Grundlage könnten dann bereits in anderen Ländern registrierte oder abgelehnte Asylbewerbern an der Grenze abgewiesen werden.

 

Meine Meinung

CDU und CSU befinden sich in der Tat in einer ernsthaften Krise. Ich stehe ganz eindeutig hinter der Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wir brauchen eine europäische Lösung der Asylfrage. Wir haben uns im Koalitionsvertrag, auch mit der CSU, darauf verständigt und wir haben unter anderem mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Partner dafür. Ein nationaler Alleingang würde die europäische Solidarität untergraben und die EU in ernste Gefahr bringen.

Die Bundeskanzlerin hat dem Innenminister einen Kompromissvorschlag angeboten. Zum einen wird sie das Thema auf dem Europäischen Rat in zwei Wochen erörtern. Gibt es dort keine Ergebnisse, werden bilaterale Verträge mit unseren Nachbarländern getroffen. Horst Seehofer und die CSU haben diesen Kompromiss bisher abgelehnt.

Ich respektiere, dass man in der Asylpolitik anderer Meinung sein kann als die Bundeskanzlerin. Wenn aber ein Regierungspartner sich nicht in der Lage sieht, zwei Wochen zu warten, dann stelle ich seinen Willen in Frage, eine Lösung zu finden. Hinzu kommt, dass der 63 Punkte umfassende „Masterplan Asyl“, den Horst Seehofer erarbeitet hat, den Abgeordneten der CDU bis heute nicht bekannt ist. Die CSU kennt ihn. Die Drohung von Horst Seehofer, auch per Ministerentscheid gegen die Bundeskanzlerin seine Haltung durchzusetzen, gefährdet die gesamte Koalition. Die Maßnahme widerspricht dem Koalitionsvertrag und würde auch von der SPD nicht mitgetragen.

Vor allem aber ist das Thema Asyl die größte Herausforderung für ein gemeinsames Europa. Die Einigung Europas ist von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis zu Angela Merkel das Herzensanliegen der CDU gewesen. Helmut Kohl hat es auf den Punkt gebracht: Europa ist eine Frage von Krieg und Frieden. Glaubt die CSU tatsächlich, sie gewinne so die Stimmen der AfD in Bayern zurück? Und ist dieser Rückschritt für ein gemeinsames Europa diesen Preis wert? Ich glaube es nicht und hoffe sehr, dass die CSU sich in den nächsten Tagen auf ihre Verantwortung besinnt.